Unsere Radtour, Religionsunterricht einmal anders, begann an einem sonnigen Tag. Wir begaben uns auf eine gemeinsame, informative Reise durch die Stadt. Unser Ziel war es mehr über die dunkle Vergangenheit der Euthanasie-Programme des Nationalsozialismus zu erfahren. Wir mussten also erst einmal weit aus der Stadt raus, so Christiane Thiel, denn die Geschichte hier in Leipzig hatte ihren Ursprung vor den Toren der Stadt. Wir
fuhren durch wunderschöne Gartenanlagen und kleine versteckte Wege, durch den wunderschön, malerisch gelegenen Erholungspark Lößnig-Dölitz und erreichten unseren ersten Halt, die Heilanstalt Dösen. Hier lauschten wir nun Christiane Thiel aufmerksam zur Geschichte des Hauses und waren stll und leise, ein jeder in seinen Gedanken versunken.
Weiter ging unsere Tour durch hohes Gras, kleinen Pfaden und Wegen bis wir an einen Stolperstein ankamen. Er befindet sich direkt an der Bushaltestelle gegenüber dem Haupteingang zum ehemaligen Krankenhaus und erinnert an die Euthanasieopfer in der Heil- und Pflegeanstalt Leipzig Dösen. Auch hier nahmen wir uns Zeit für unsere Gedanken und den Austausch miteinander. Wir setzen unsere Tour fort und näherten uns wieder dem Stadtzentrum. Wir erreichten nun den Ostriedhof. Für die Leipziger Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie wurde hier ein Gedenkort geschaffen. Im Eingangsbereich des Ostriedhofs bietet ein Grabmal auf zwei Bronzetafeln ausreichend Platz für die Namen der
ermordeten Leipzigerinnen und Leipziger und öffnet einen Blick auf das frühere Grabfeld. Auch an diesem Ort nutzten wir die Möglichkeit zur Stille und des Nachdenkens.
Schließlich näherten wir uns dem Abschluss der Tour und wir erreichten den Friedenspark. Hier angekommen standen wir vor einem einzigartigen Ort für aktives fühlbares Gedenken. Auch hier hörten wir Christiane Thiel aufmerksam zu und erfuhren von der besonderen Bedeutung der Gedenkstätte für unsere Stadt Leipzig. Das Gedicht „Die Wiese Zittergras“ von Christine Lavant* bildet die Grundlage für diesen ernsten und doch
lebendigen Ort des Gedenkens. Gemeinsam schritten wir den Weg aus dichtem Gräserfeld hindurch, ein schmaler Pfad, dessen Ende man nicht sieht. Wir kehrten zurück zu unserem Ausgangsort. Unsere Herzen waren schwer, aber auch erfüllt von Wissen, dass wir die Erinnerung an die Opfer der Euthanasie wachhalten. Unsere Radtour war ein wichtiger Schritt, um die Geschichte der Euthanasie in Leipzig zu verstehen und zu gedenken.
Wir hoffen mit unseren Erfahrungen auch andere Menschen dazu ermutigen können, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und aktiv gegen jede Form von Diskriminierung und Unterdrückung einzutreten. Ein besonderer Dank geht an Christiane Thiel. Sie hat diesen Unterricht für uns zu einem bedeutsamen und nachdenklichen Erlebnis gemacht hat.
Michaela Schilling E21/2
* Christine Lavant (1915-1973), erhielt 1970 den großen österreichischen Staatspreis für Literatur; von Kindesbeinen an kränklich und depressiv; schildert sie in dem Gedicht die kindliche Angst vor dem Tod.