„Hineh matov uma na’im. Shevet achim gam yachad.“ – Seht, wie gut und wunderbar es ist, wenn Menschen in Frieden beieinander sind. Dieser Psalm erklang plötzlich am Donnerstag, den 01.09.2022, gegen 17 Uhr auf dem Dorotheenplatz schräg gegenüber von Apels Garten. Ein Trompeter gab das Startsignal und eine Frau mit einer fantastischen glockenklaren Stimme stimmte diese Zeilen an. Sternförmig aus der Kolonnadenstraße, der Reichelstraße und der Elsterstraße näherten sich Lehrer und Schüler der HGS sowie Freunde, Bekannte und Unbekannte dem Trompeter und der Sängerin. Erst vereinzelt, dann kraftvoll und mitreißend stimmten sie in das Lied mit ein undließen den Dorotheenplatz erklingen. Als großer Chor von 50 bis 60 Leuten sangen sie nun gemeinsam voller Andacht diesen bedeutsamen Psalm auf Hebräisch. Einige Passanten liefen irritiert vorbei. Andere blieben staunend stehen oder sangen mit. Fenster in den Häusern rund um den Platz öffneten sich, neugierige Blicke, interessiertes Zuhören. Zusammen singen macht stark und setzt ein Zeichen. – Flashmob zum Erinnern und Gedenken. Danach ertönte „Haida“. In diesem Augenblick wurde ich von drei Männern angesprochen, die das Ganze von Apels Garten aus beobachtet hatten. Sie fragten: „Was ist denn hier los? Das sind doch jiddische Lieder.“ Nachdem ich es ihnen kurz erklärt hatte, fingen sie an zu lächeln. Sie erzählten mir, dass sie jüdisch seien und diese Aktion großartig finden. Daumen hoch! Der singende Chor hatte sich derweil langsam in Richtung der ehemaligen Ez-Chaim-Synagoge in Bewegung gesetzt. An dem heute leider grauen und unscheinbaren Ort kehrt nun mit „Hineh ma tov uma na’im“ als wundervoller Kanon die Erinnerung zurück. Begleitet wurde der Gesang vom Trompetenspiel und dem Spiel der israelischen Cellistin Ayala Sivan Levi. Frau Nitschke, die den Flashmob initiiert hatte, schlängelte sich lächelnd durch den mehrstimmigen Gesang der Menge an den Rand. Der Vorsitzende der Notenspur und Physiker im Ruhestand, Prof. Dr. Werner Schneider, würdigte in seiner Gedenkrede die Synagoge und das jüdische Leben in Leipzig. Wir hörten alte Aufnahmen aus den 1920er Jahren mit der Stimme des damaligen Oberkantors Nathan Wilkomirski, Frau Levi spielte orthodoxe Melodien auf dem Cello, zusammen sagten wir den Psalm 131 aus dem Buch der Psalmen auf. Ich hielt mich währenddessen ein bisschen im Hintergrund und konnte so beobachten, wie eine alte Dame mit Gehstock aus der Menge auf Frau Nitschke zukam und sie ansprach. Sie sprach weinend und sichtlich gerührt vom Krieg, bevor sie kopfschüttelnd und langsam weiterging. Das war ein sehr bewegender Moment. Ein Junge begann eine große Sonne auf den Boden zu malen – hell und leuchtend hob sie sich vom grauen Beton des Parkplatzgeländes ab. Vielleicht kann sie als Symbol gesehen werden, dass dieser Gedenkort zu neuem Leben erwacht. Zum Abschluss wurde noch einmal „Hineh ma tov …“ als Kanon gesungen, vom Cellospiel begleitet, danach klatschten alle und gingen ruhig in verschiedene Richtungen auseinander wie sie gekommen waren. Es war ein eindrücklich schönes Erlebnis für alle, die ganz Kleinen wie die Großen.
Maria Schauer, Susanne Triems